Nikolaus Welter
Dichter, Schriftsteller, Sprach- und Literaturwissenschaftler
Lehrer und Staatsmann
(2. Januar 1871 - 13. Juli 1951)

Kurzbiographie

Nikolaus Welter wurde am 2. Januar 1871 in Mersch im Hause Neuberg geboren. Seine Mutter, geborene Anna Neuberg, starb an Kindbettfieber zwölf Tage nach der Geburt ihres ersten und einzigen Sohnes. Ihre um vier Jahre jüngere Schwester Marie nahm sich des Neugeborenen an und wurde ihm zu seiner geliebten Mutter Marie. Sie heiratete einige Jahre später seinen Vater, Theodor Welter, Briefträger aus Mersch. Dieser Ehe entsprossen sieben weitere Kinder, drei Mädchen und vier Jungen: Joséphine (Finnie), Marie (Mayi), Pauline, Jean-Emile (Jempi), Gustave (Gusti), Joseph (Jos) und Eloi (Eli).

In seinen Kindheitserinnerungen Im Werden und Wachsen lässt Nik Welter Menschen, Örtlichkeiten, Bräuche, Geschehnisse und Anekdoten aus seiner Kindheit im Kreise der Grossfamilie im ländlichen Mersch und seiner romantischen Umgebung aufleben. Von klein auf wurde er geprägt von der Arbeit und der Stimmung in der grossväterlichen Schmiede, was denn auch später seinen Niederschlag fand in seinen Schmiedeliedern und den Ausschlag gegeben haben mag für seine soziale Dichtung (z.B.Hochofen).

Dank des tatkräftigen Einsatzes und der finanziellen Unterstützung verschiedener Merscher Förderer (Lehrer, Dechant und Kaplan - Namen !) kam der junge Nik als Schüler an das hauptstädtische Athenäum. In den Kapiteln VI und VII gibt die 1995 posthum unter dem Titel Singrün erschienene, so genannte Frühlingsnovelle, in einer romancierten Form Aufschluss über den Gewissenskonflikt, dem sich der junge Gymnasiast ausgesetzt sah, als ihm immer klarer wurde, dass er sich zu der von ihm erwarteten Laufbahn als Geistlicher nicht berufen fühlte. Dieses Thema steht auch im Mittelpunkt seines Dramas Der Abtrünnige. Nach seinem Abitur (1889) studierte er an den Universitäten Loewen (Belgien), Bonn, Paris und Berlin, wo er auch als Lehrerkandidat am Königlichen Französischen Gymnasium in den Fächern Griechisch und Deutsch hospitierte. 1895 wurde er als Lehrer für Deutsch, Latein, Französisch und Geschichte ans Diekircher Gymnasium genannt, wo er elf glückliche, auch literarisch und literaturwissenschaftlich recht fruchtbare Jahre verbrachte. Aus seiner Ehe mit Julie Mischo aus Eich (heute ein Stadtteil von Luxemburg), einer allem Anschein nach sehr erfüllten Verbindung *), die 55 Jahre dauern sollte, gingen eine Tochter (Marguerite, * 1899) und vier Söhne hervor (Jules, * 1898; Henri Frederi, * 1902; Nicolas, * 1904 und Frédéric, * 1909). Im Jahre 1906 kam dann die Ernennung an das hauptstädtische Athenäum.

Ab 1898 und bis in die Mitte der dreissiger Jahre des 20. Jh. veröffentlichte Nik Welter in deutscher Sprache Gedichte und Gedichtbände, Dramen, literarische Abhandlungen, sprachwissenschaftliche Studien, Anthologien, Erinnerungen und andere Prosatexte sowohl in der Heimat, als auch in Deutschland und Österreich. Manches Gedicht wurde preisgekrönt. Er unternahm Reisen in die Provence, wo er Petrarca aufspürte und Frederi Mistral besuchte, nach Italien auf den Spuren von Dante und Kaiser Heinrichs VII, nach Tunesien (wo damals sein Bruder Jempi als 'Frère Léopold' bei den 'Weissen Vätern' tätig war), nach Österreich-Ungarn, um die Wiener Theaterszene von innen und aussen kennenzulernen und sich in Poszany als 'Sänger Pressburgs' feiern zu lassen, und immer wieder durch ganz Deutschland bis nach Königsberg, mal als Vortragsredner oder Theaterautor, mal als Tagungsteilnehmer oder Preisempfänger. Wenn man bedenkt, wie eng sein Schaffen und Wirken mit dem deutschen Kulturraum verknüpft war, so überrascht es nicht, dass der in deutscher Sprache schreibende Luxemburger Dichter und Literaturwissenschaftler gegen Ende der 30er Jahre, angewidert durch die Naziherrschaft und den Zweiten Weltkrieg, die Feder für immer niederlegte.

Veith1918, kurz vor Kriegsende, wurde Nik Welter Unterrichtsminister (Directeur général de l'Instruction publique). Damals waren vor allem seine unvermuteten Fähigkeiten als weitsichtiger und geschickter Diplomat gefordert, galt es doch in einer Krisenzeit die bedrohte Unabhängigkeit des Luxemburger Landes zu retten und abzusichern. Der Band Im Dienste - Erinnerungen aus verworrener Zeit, gibt ein Bild von der nationalen und internationalen Lage zwischen 1918 und 1921 und berichtet aus erster Hand über die Verhandlungen in Paris und Versailles, die schliesslich zur endgültigen Anerkennung der Souveränität Luxemburgs führten.

Nachdem er im April 1921 aus der Regierung ausgetreten war, übernahm Nikolaus Welter im Oktober des gleichen Jahres die Verantwortung als Oberschulinspektor, ein Amt, das er mit viel Freude und Engagement wahrnahm und von dem es ihm schwerfiel zu scheiden, als 1936 ein neues Gesetz die Pensionierung im Alter von 65 Jahren vorschrieb.

Vom Zweiten Weltkrieg mit seinem Gefolge an Enttäuschungen und Schikanen seitens der Nazi-Besetzung sollte sich Nik Welter nicht erholen. Seelischer Schmerz auf Grund des Verlustes seiner zahlreichen Verbindungen zu und seiner Illusionen über Deutschland, körperliches Leiden als Folge der dem alternden Mann durch Krieg und Regime zugemuteten Entbehrungen, vergällten ihm den Alltag. Allein die liebende Fürsorge seiner Frau Julie, seiner langjährigen Kameradin und Weggefährtin, mochte ihm nebst manchen Ehrungen, die ihm im Alter noch zuteil wurden, den Tag aufgehellt haben. Er starb zu Hause in Luxemburg am 13. Juli 1951. Julie überlebte ihn um 21 Jahre. Ihre im Centre national de littérature (CNL) archivierten Aufzeichnungen ermöglichen einen tieferen Einblick in Persönlichkeit, Leben und Werk ihres Mannes.

*) wie aus zahlreichen Briefen und Gedichten sowie den persönlichen Aufzeichnungen von Julie Welter-Mischo hervorgeht

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Julie, seine Frau

Julie Mischo war die älteste Tochter von Élise Wilhelmy aus Rollingen bei Mersch und Mathias Mischo, Eisenbahnbeamter aus Eich. Sie erblickte am 23. Oktober 1873 in Eich das Licht der Welt. Knapp 17-jährig kam sie, nachdem ihre Mutter 1886 und ihr Vater 1890 gestorben waren, zusammen mit ihrer Schwester Justine in die Obhut ihres unverheirateten Onkels Gust Wilhelmy, der in Rollingen als Notariatssekretär lebte. 'Außer meiner Schwester und mir hatte er noch die Kinder seines älteren Bruders, ein Junge und zwei Mädchen, zu betreuen. Es war nicht das intime Heim wie bei den Eltern', schreibt sie. Dort führte Aennchen, eine altmodische frühere Dechantshaushälterin, das Zepter. Dennoch - in gewissem Sinne war es eine glückliche Fügung, lernte sie doch einige Jahre später im benachbarten Mersch ihren Mann kennen, der, wie es in ihren unveröffentlichten Memoiren *) heisst, 'das Glück meines Lebens (war), und ich weiss, dass ich ihm immer lieb gewesen. Das bezeugt u.a. das Gedicht Zueignung aus Mariensommer (1929)'.

Zueignung

Was ich in schönen Stunden
Empfunden und erfunden,
Ich leg’s mit stillem Dankgebet
In deine lieben Hände
Als letzte Erntespende
Des Sommers, der zur Rüste geht.

Du hast von deinem Leben
Mir ungleich mehr gegeben;
Ich stehe tief in deiner Schuld.
Perle der Frauengüte,
Dein Glanz verjüngt mit Blüte
Den Herbst. Heil mir in deiner Huld.

Julie hatte die Ausbildung zur Lehrerin genossen (das einzige den Frauen in Luxemburg damals offene Studium), ohne aber die Absicht zu hegen, berufstätig zu werden. Danach besuchte sie eine Haushaltungsschule in Karthaus bei Trier (Deutschland). Die Ehe mit Nik Welter (Heirat am 12. April 1987) brachte eine Tochter und vier Söhne hervor.

Zeitlebens war sie ihrem Mann eine ebenbürtige Partnerin, Beraterin und Stütze, was er voll anerkannte. So z. B. in dieser Widmung zu Freundschaft und Geleit:

Der treuesten Freundin und Geleiterin
Bei Lust und Leid;
Der Helferin und Erheiterin
In Dankbarkeit!

Luxemburg, den 26. Juni 1936

Auf seinen Wunsch hin las sie seine Schriften kritisch durch, schrieb einige für ihn in Schönschrift ab (er war bekannt für seine schwer zu entziffernde Schrift), kopierte andere mit der Schreibmaschine oder spielte ihm auf dem Klavier Melodien vor, zu denen er einen Text schreiben wollte, z. B. das Ave Maria von Muth/Weinberger, das schliesslich den Wortlaut zu dem beliebten Oktavlied Wie unsre Väter flehten hervorbrachte (1903), das rasch zum Volkslied wurde. Sie war an seiner Seite während seiner langen Krankheit und begleitete ihn bei seinem letzten Atemzug.

Ein intensiver Briefwechsel zwischen Julie und Nik, wenn dieser auf Reisen war, und mehrere Gedichte von Nik an Julie, von denen manches unveröffentlicht blieb, bezeugen die tiefe Verbundenheit dieser beiden Schwesterseelen.

[Geburtstagsgruss (Julie zum 52. Geburtstag)]

Heil der holden Herbstesstunde,
Wo dein Auge sich erschloss!
Gruss und Dank aus Herzensgrunde,
Dir, du guter Fahrtgenoss.

Viele Jahre treu zusammen
Schreiten wir mit tapfrem Mut.
Sprühn uns nicht mehr junge Flammen,
Wärmt uns stets doch junge Glut.

Und die brennt im trauten Glanze,
Bis des Ersten Stunde schlägt;
Drauf der Andre unsre ganze
Liebe einsam weiterträgt.

Sankt Mauritius Abtei, 20. Oktober 1925
(unveröffentlicht)

Julie Welter-Mischo starb im Februar 1972 in Luxemburg in ihrem 99. Lebensjahr. Im Alter von 89 Jahren noch hatte sie den Nik Welter-Verlag gegründet, mit dem Zweck, ihres Mannes Werke neu zu verlegen. So erschienen 1962, rechtzeitig zu den Tausendjahrfeiern der Hauptstadt Luxemburg, die Kindheitserinnerungen Im Werden und Wachsen in ihrer vierten Auflage.

*) Das Manuskript der persönlichen Aufzeichnungen von Julie Welter-Mischo wurde Ende 2004 im Merscher Literaturarchiv CNL/Centre national de littérature als Teil des Nik Welter-Fonds hinterlegt.


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Europäer, Pazifist und Visionär

Schon Ende des 19. Jahrhunderts gab es für Nik Welter keinen Widerspruch zwischen der Treue zur Heimat, einerseits, und einer europäischen Gesinnung, andererseits. Seine in Deutsch verfassten literaturwissenschaftlichen Arbeiten, die sich um die Jahrhundertwende 1899/1900 mit den neoprovenzalischen Dichtern Jóusè Roumanille, Frederi Mistral und Theodor Aubanel befassten, bezeugen sein Bestreben, die Gegensätze zwischen den beiden grossen kulturellen Strömungen, an deren Zusammenfluss sich Luxemburg befindet, und gleichzeitig zwischen dominanten und minoritären Kulturen, zu überwinden. Das gleiche gilt für seine Geschichte der französischen Literatur, die ab 1914 in Marburg herauskam und über 2 Jahrzehnte den Studierenden an deutschen Universitäten einen nuancierten Einblick in das französische Schrifttum und Denken vermittelte.

Für Jules Christophory, ehemaliger Direktor der Nationalbibliothek in Luxemburg, übernahm Nik Welter mit viel Talent und Einfühlungsvermögen eine Rolle als Vermittler zwischen der deutschen und der französischen Kultur (in Catalogue de l'Exposition 'De l'Etat à la Nation', Luxembourg 1989).

Mit seinem lyrischen Band Über den Kämpfen. Zeitgedichte eines Neutralen in dem er das Kriegsgeschehen 1914-1918 beschreibt und anprangert – er kannte die Schlachtfelder in Frankreich und Belgien aus erster Hand, hatte er sich doch beim Roten Kreuz an der Front betätigt – fand er national und international viel Anklang, so auch bei Romain Rolland damals in Genf, der ihn bat, seinen Namen dem Gedicht Der Menschheit Klage beizufügen, was denn auch in den nachfolgenden Ausgaben des Gedichtbandes geschah. Nik Welter war auch ein ferventer Bewunderer des Pazifisten Henri Barbusse, den er wahrscheinlich im Juni 1919 – damals als luxemburgischer Unterrichtsminister – in Paris aufsuchte, für „une entrevue tendant à nous unir en une sincère communion d'idées fraternelles“, wie im Einladungsschreiben von Henri Barbusse steht.

Der Menschheit Klage

an Romain Rolland

Also hätt das Recht auf Erden wirklich keine Heimat mehr!
Täuschung wäre, was wir glaubten! Träume wären's, kühn und leer?
Gott, wie lange willst du zaudern, ehe du dein Schweigen brichst
und der ganzen Welt zum Troste ein erlösend Machtwort sprichst?

Deine Völker, Ewiger Vater, schau doch deine Völker an!
Unerhörtes hat an ihnen Selbstsucht und Gewalt getan.
Durch die Wolken schreit der Frevel, und die Menschheit klagt dir zu:
„Wenn auf Erden niemand retten will, Herr Gott, so rette du!

Friedlich lebten wir als Nachbarn, spürten uns in dir verwandt;
was wir glaubten, hofften und ersehnten, galt von Land zu Land.
Sitte, fühlten wir, ist Adel, aus dem Herzen blüht das Glück;
Menschenliebe führt die Menschheit in das Paradies zurück.

Und nun liegen wüst die Länder, Feld und Herzen sind zerstampft;
von der Männer Blut, der Frauen Tränen halb Europa dampft.
Wofür Gott und Weise zeugten, Martyrer gestorben sind,
ward geschändet und zertreten, wirbelt fort wie Staub im Wind.

Herr, wie lange willst du zaudern, ehe du dein Schweigen brichst
und der ganzen Welt zum Troste dein erlösend Machtwort sprichst?
Die voll Mutterangst im grauen Bettlerkleide vor dir steht,
Vater, o erhöre deiner Menschheit Klage und Gebet!“

Frommes Wähnen! Eitle Wünsche! Toren, die wie hoffend stehn
und mit gläubigen Kinderaugen nach dem ewigen Schicksal sehn!
Tonlos an der Wolkenwolle bricht sich unser Sehnsuchtsschrei:
Ach, die Märchenzeit der menschenholden Wunder scheint vorbei!

Schwurwort und Vertragsschrift gilt nicht mehr! Der Wahrheit Sonnenspur
glänzt, ein Traumgesicht der Sage, in dem Lied der Dichter nur;
Übermacht tritt in den Grund sie mit gesporntem Eisenschuh,
Schläue scharrt sie mit dem Wortschwall ihres Schreiberpöbels zu.

Ratlos steht der Chor der Völker, klagend mit verstörtem Sinn;
Ungeheures ist geschehen, das Vertrauen schwand dahin.
Wer soll da vergessen können? Ach, die Toten bleiben tot,
und es sühnt nicht Gold noch Gnade Herzensqual und Seelennot!

Wer die Eide bricht dem Schwachen, vorbedachtsam, listig-kühl,
der vergreift sich an der Menschheit, denn er sündigt am Gefühl;
Wer Gewalt zum Rechte prägt und den Erfolg als Fortschritt preist,
der vergreift sich an der Gottheit, denn er sündigt an dem Geist.

Tragt der Erde Schätze, Königs- und Kaiserkronen tragt zuhauf,
o, ihr wiegt nicht einen schnöderdrosselten Gedanken auf,
und der Wundenspalt, der im Gewissen der Nationen klafft,
spottet noch in hundert Jahren jeder Löt- und Sühnekraft.

Und so stehn wir, fremd, verloren in dem grossen Vaterhaus,
suchen, ach vergebens! Höhn und Tiefen nach dem Heiland aus.
Auch der Himmel dunkelt wie ein Abgrund rätselstumm und leer.
Und es hat das Recht auf Erden wirklich keine Heimat mehr.

Schon in seinen 'Erinnerungen aus verworrener Zeit', Im Dienste, wünscht er die Vereinigung der europäischen Nationen herbei. 1925 schreibt er darin (S. 39): „Erst wenn der Tag des Heils gekommen ist, wo sich das zerrissene Europa zu den Vereinigten Staaten Europas zusammenschliesst, durchdrungen von demselben Ideal des Rechtes und des Friedens, das sich heute nur in den kleinen neutralen Völkern verkörpern konnte, erst dann wird sich neben Dänemark, Belgien, Holland und der Schweiz auch Luxemburg seines eigenen Wesens erfreuen können. Von seinem besseren Selbst braucht es dann nichts mehr aufzugeben, und auch der angestammte Name bleibt ihm für immer erhalten. Dieser lichte Zukunftstraum wird trotz Locarno wohl ein Traum bleiben. Recht lange noch werden vaterländische Grenzen und patriotische Vorurteile die Völker des sich selbst zerfleischenden Europas scheiden ...“

Die Begeisterung für die europäische Idee geht u.a. aus folgendem Auszug aus einem Brief an seinen Freund Alexandre Mercereau am 13. Mai 1930 hervor, den er im Zusammenhang mit der Centenarfeier Mistrals verfasste: „J'ai la conviction que le Poète [Mistral] aurait très sincèrement applaudi aux efforts héroïques qui se font à l'heure présente, tant en France qu'en d'autres pays, en faveur de la création des Etats-Unis d'Europe. Cette oeuvre de vaste fédération seule permettra à notre vieux Continent, dont les peuples depuis des siècles éprouvent le besoin frénétique de s'entredéchirer et de se démolir dans des guerres fratricides, de garder sa place d'honneur à la tête du Grand Conseil des races et au service de la civilisation“.

So war es für ihn nur konsequent, sich den Bemühungen einer L.I.C.E. (Ligue internationale pour la coopération européenne – International League for the Cooperation in Europe) anzuschliessen, die ihre Arbeit 1947 aufnahm und für welche ihn der Luxemburger Verantwortliche Guillaume Konsbruck gewann.

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Der Frauenförderer

Wie auch auf andern Gebieten hatte Nik Welter der Stellung der Frauen in der Gesellschaft gegenüber eine fortschrittliche Haltung, ja, er betätigte sich auf vielfältige Weise als deren Förderer.

In seinem Privatleben ist offensichtlich, dass er seine Ehefrau als seine gleichberechtigte Partnerin betrachtete und die einzige Tochter Marguerite förderte, wo er konnte.

Auch seine Schriften zeugen allgemein von dem hohen Stellenwert, den Frauen für ihn hatten. Die meisten seiner Frauenfiguren wirken willensstark. In seinem Drama Lene Frank (1906), dessen Handlung von einer wahren Begebenheit inspiriert wurde, sieht sich eine junge Lehrerin der Willkür des traditionell frauenfeindlichen katholischen Klerus ausgesetzt, da der Pfarrer ihr das zu einer Einstellung notwendige 'Moralitätszeugnis' verweigert. Die Sympathie des Autors ist eindeutig auf ihrer Seite, auch dann noch, als sie sich zur Fälschung dieses Zeugnisses hinreissen lässt. Der Machtmissbrauch der kirchlichen Autorität, in diesem Fall gegen die Selbstbestimmung einer Frau gerichtet und die Einmischung der Kirche in die Angelegenheiten der öffentlichen Schule werden hier aufs Heftigste angeprangert.

Erziehungspolitisch schliesslich tat er das seinige, um den Mädchen die gleichen Bildungschancen wie den Jungen zu ermöglichen. Als 1909 auf Initiative des 'Vereins für die Interessen der Frau/Association pour les intérêts de la femme' das erste Gymnasium für Mädchen in Luxemburg auf privater Basis gegründet wurde, stand Nikolaus Welter in vorderster Front, zusammen mit einer Handvoll Lehrerkollegen, die anfangs dort so gut wie ehrenamtlich tätig waren. Mehrere Jahre später – die Schule war inzwischen unter dem Namen Lycée de Jeunes Filles (heute: Lycée Robert-Schuman Luxembourg) in das staatliche öffentliche Schulwesen integriert worden - absolvierte seine Tochter Marguerite dort ihr Abitur bevor sie nach Paris an die Sorbonne kam, wo sie Jura studierte. Sie wurde die erste Frau in Luxemburg, die die Ausbildung zur Rechtsanwältin abschloss. Aus persönlichen Überlegungen – sie wollte eine Familie gründen - verzichtete sie allerdings kurz nach ihrer Zulassung an der Luxemburger Anwaltskammer im Zusammenhang mit ihrer Heirat auf die Ausübung ihres Berufes und somit auf eine Karriere als Juristin.

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Ein freier Geist

Obwohl Nik Welter aufgrund seiner Lyrik und Prosawerke, durch die sich der soziale Gedanke wie ein roter Faden zieht, als Sozialdemokrat gelten musste und muss, hat er nie seinen Glauben an eine höhere Instanz verleugnet oder unterschlagen. Das hinderte ihn aber keinesfalls daran, sich seine eigenen Gedanken über die katholische Kirche und deren Klerus zu machen und ihnen über seine Werke Ausdruck zu verleihen. Wo der kirchliche Machtmissbrauch allzu krasse Formen annahm, scheute er sich nicht, sie in Dramen wie Lene Frank oder Der Abtrünnige zu entlarven und anzuprangern. Das Mitgefühl mit allen Unterdrückten und das Unbehagen über die sozialen Misstände inspirierten ihm Gedichte wie Die Schmiede. Damit, genau so wie mit Titeln wie Franz Bergg. Ein Proletarierleben, erregte er den Verdacht der klerikalen Kreise, die keine Gelegenheit ausliessen, ihn zu 'bestrafen', so beispielsweise 1918 als der Posten des Direktors des Athenäums frei wurde, ihre Fadenzieher sich aber der Ernennung Welters in den Weg stellten.

Als er kurz danach von einem Jugendfreund, dem Rechtsanwalt Jean-Pierre Probst, bedrängt wurde, für die Sozialisten in die Nachkriegsregierung zu gehen, da die Partei offensichtlich keinen Mann hatte, der den Mut oder die Fähigkeit für dieses Amt in einer Krisenzeit aufwies, liess er sich dazu hinreissen, ohne aber der Partei beizutreten. Er behielt sich seine Handlungsfreiheit vor, insbesondere hinsichtlich der Monarchie, da er ahnte, dass die Selbstbestimmung des Staates Luxemburg auf dem Spiel stand. Die Ereignisse der folgenden Monate sollten ihm Recht geben. Als Mitglied der Regierung Émile Reuter gelang es ihm mit viel Weitsicht und staatsmännischem Geschick und mit Hilfe seiner Verbindungen in Paris (namentlich seines jüngsten Bruders Éloi, der damals als Arzt im Hôpital Bichat wirkte), in komplizierten Verhandlungen, die z. T. in den Kulissen geführt wurden, die Unterstützung Frankreichs für die Unabhängigkeit des Grossherzogtums zu gewinnen. Darauf fielen ihm die ehemaligen sozialistischen Freunde in den Rücken. Für sie hatte er mitgeholfen, die Revolution und die Ausrufung der Republik zu vereiteln! Dass er damit einen wesentlichen Beitrag zur Unabhängigkeit des Luxemburger Landes auf unbestimmte Zeit geleistet hatte, wollten sie nicht wahrhaben und weigerten sie sich hartnäckig und gegen alle Offenkundigkeit, anzuerkennen. Gehässigkeiten aus dem linken Lager, die auch vielfach auf Neid zurückgingen, sollten es ihm heimzahlen. Gedichte wie Ich werde gehasst und ich werde geliebt, Sie lohnen mit Spatzen...dreck oder der nachfolgende Geleitspruch, waren wohl Reaktionen auf die schnöden Attacken. Als er 1922 als Oberschulinspektor vorgeschlagen wurde, wurde ihm auch dieser Posten streitig gemacht und wäre ihm um eine Haarbreite vorenthalten geblieben.

Geleitspruch

Halt vom Leibe dir die Herde! Lass
Deine Kräfte springbornfröhlich spielen.
Bleibe jung mit deinen jungen Zielen.
Heilig wahr dein Herz und deinen Hass.
Beuge dich den Pflichten. Steh der Not.
Wehr nicht Schelm und Wichten sich zu schänden.
Sing dein Lied. Und bau mit reinen Händen
Deiner Tage Turm ins Abendrot.

(Gesammelte Werke, Erster Band: Gedichte, Verlag Georg Westermann, Braunschweig 1925)

Nik Welters Heimatliebe geht aus seinen Versen wie aus seinem Handeln hervor. Er war, vor allem in Zeiten, wo die Freiheit auf dem Spiel stand, ein unerschütterlicher Patriot. In der Regierung nach dem Ersten Weltkrieg sah er sich im Dienste des Landes. Als ihm drei Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Bonn an der Rheinischen Friedrich Wilhelm-Universität der Joseph von Görres-Preis der Johann Wolfgang von Goethe-Stiftung überreicht wurde, schlug er in seiner Dankesrede mutige Töne an hinsichtlich der Eigenständigkeit Luxemburgs, welche sich die Mitglieder der Preiskuratoriums mit banger Sorge anhörten angesichts der Gegenwart von Nazi-Spitzeln im Saale.

„Als 1940 kulturelle Nazis sich an Welter heranmachten in der Hoffnung, mit ihm irgendwie Staat machen zu können, antwortete er schlicht und bestimmt, aber mit edler Würde: „In meinem Wörterbuch, meine Herren, gibt es noch das Wörtchen 'Treue' ". Die damit entlassenen Kulturträger waren so verdutzt, dass sie sich wortlos entfernten“, so sein früherer Ministerkollege Auguste Collart in seinem Buch Sturm um Luxemburgs Thron. 1907-1920 (Editions St-Paul, Luxembourg 1991, 2. Auflage).

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© 2005 by Nik Welter Verlag | design by Raffael Mancini | letzter update: 18.08.08 12:26

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